Werner Hofmann, Über Mikl, 1969

 Was Malerei – auch heute noch - sein kann, wenn sie von einem gehandhabt wird, der das farbige Element souverän beherrscht, zeigt das Werk von Mikl – jedem, der Augen im Kopf hat. Hier ist handwerkliches Können die Instanz, die dem Formakt Kraft und Lauterkeit – im Sinne von Klarheit und Transparenz garantiert.

Dieses Können hätte wenig Gewicht, gründete es nicht auf Redlichkeit. Von Loos und Kraus hat dieser Maler gelernt, daß über den Rang einer schöpferischen Intelligenz der Charakter entscheidet. (Doch man lernt nur das, worin man sich bestätigt sieht.)

Die Rhetorik des action painting verfiel in Gesten, die sich verschleuderten, in die Automatik angenehmer Füllarabesken, in den Bravourakt. Mikl hat diesen Verfall nicht mitgemacht. Ihm liegt weder die umschweifende noch die ausschweifende Gebärde.

Der Rhythmus seiner Bilder kommt aus klar und sicher disponierten Energieschüben. Die verführerischen metaphern des Organischen sind vermieden: kein prämorphes Verströmen, kein Wildwuchs, kein Dickicht. Keine Naturmythen, keine Anleihen beim Werden und Vergehen. Keine Formen, die sich verzehren.

Diese Malerei geschieht nicht, sie wird gemacht. Der Mensch vollzieht den Malakt in eigener Verantwortung, er läßt sich nicht vom Zufall Mut machen.

Mikls Farbformen treten mit der Intentsität von Provokationen auf.

Die Handschrift verfährt plötzlich, stoßhaft, sie handelt abrupt. Die rasante Beschleunigung ist immer rhythmisch gebunden, doch nie von ausholenden Kurven gemäßigt. Sie schwingt nicht aus (deshalb schmeichelt sie sich nicht dem Auge ein), sie vibriert, sie ist durch und durch gespannt und konzentriert.

Der Pinselduktus hat etwas Federndes, Elastisches, das sich abschnellt. Seine Zielsicherheit gibt ihm Autorität. Deshalb kennen diese Bilder kein Verschütten (dripping), keine vergeudete, verschleuderte Energie. Sparsamkeit regiert, die weiß, wann man aufhören muß.

Die pfeilschnelle Verständigung der Farbformen scheut nicht die Glätte: jede Bildrechnung geht in sich selbst auf. Diese Stimmigkeit läßt keinen Rest übrig. Expressionistische Gewaltakte – Verdunklungen, Stauungen, Verhärtungen und Verwirrungen des Formgeschehens – sucht man vergebens. Mikls Malerei ist wissen, unnaiv.

Gestalt und Raum ereignen sich im wechselseitigen Begreifen, Begrenzen und Durchdringen. Der Gestaltverlauf läßt keine abhebbare Konfiguration zu, kein selbstgefälliges Versteifen der Chiffren. Ein solches Abkapseln widerspräche der rhythmischen Tektonik, die immer auf das Insgesamt des Energiefeldes Bedacht nimmt. Mikl ist das Gegenteil eines Kalligraphen: er bewundert Gerstl, nicht Klimt und Schiele.

Die stärksten dieser Bilder erfüllen, was Novalis einmal fordert: „Auch die fibra simplicissima muß noch individuell und gebildet und analog sein.“ Das gilt besonders für die kleinformatigen Ölbilder.

Mikl versteht – nicht nur in seinen Glasfenstern – farbiges Licht zu malen. Vielleicht erklärt das die vibrierende Durchsichtigkeit, die seine Bilder mitteilen. Ihre Offenheit beglückt. Der Interpret sollte sie dem Maler mit Sprachlosigkeit vergelten.