Um sich unabhängig zu entwickeln, 1980

 

Ich war nach Alfred Schmeller ein oder zwei Jahre Sekretär des Art Clubs. Ich hab die Post bearbeitet und hatte außerdem Freikarten zu Musikfesten zu verteilen, weil die Wiener ja damals o wie heute nicht in Konzerte mit neuer Musik gegangen sind. So wie jeder Verein hat der Art Club so lange bestanden, solange er gebraucht wurde. Als ihn die meisten nicht mehr gebraucht haben, hatte er sich von selber überlebt. Der Zusammenschluss so verschiedenartiger künstlerischer Absichten und Menschen ist ja doch unter äußerem Druck zustande gekommen. Moderne Kunst wurde allgemein abgelehnt, weshalb die Vertreter der verschiedenen Lager und Richtungen zusammengerückt sind und daraus eine gemeinsame Sache gemacht haben. Schon ein paar Jahre später war der Zusammenschluss nicht mehr notwendig, weil auch der Druck nachgelassen hatte.

 

Die Ausstellungen waren Sammelsurium aus allen möglichen Richtungen. Und obwohl es den Art Club gegeben hat, haben die wirklich wichtigen Leute, die nach Wien gekommen sind, die wirklich guten Leute hier nicht getroffen, ebenso wenig wie der internationale Austausch funktioniert hat.

 

In der Rückschau war der Art Club: Möglichkeit zum Ausstellen, Möglichkeit zum Ärgern, zum Freuen. Dass die Wiener etwas durch den Art Club gelernt haben, glaube ich nicht. Ich aber habe gelernt, wie die Wiener auf den Art Club reagiert haben, wo das Kunstgewerbe steckt und wo nicht. Für mich war der Art Club vor allem eine ständige Kontrollmöglichkeit zu dieser Frage gewesen.

Das Erkennen dieser Unzulänglichkeiten und Bedrohungen erscheint mir wichtiger als das, was man „Talent“ nennt. Was ist das schon? Jeder vierte kann zeichnen. Aber um sich unabhängig zu entwickeln, dazu gehört mehr, nämlich wirkliche Begabung.

Meine Begegnung mit der Kunst, mit der Literatur und Musik, auf die es angekommen ist, hat nicht im Art Club stattgefunden. Der Art Club hatte damals keine Möglichkeit, einen guten Schönberg-Abend zu machen. Die Bilder, die ich sehen wollte, habe ich erst gesehen, als die Zeit der Art Club-Ausstellungen vorüber war. Wenn man immer die anderen braucht, Publikationen, das Fernsehen, die Zeitungen, wird man selber nichts hervorbringen können und nichts anderes sein als ein lächerlicher Kommunikationswurstel.

 

in: Der Art Club in Österreich

Zeugen und Zeugnisse eines Aufbruchs

redigiert und herausgegeben von Otto Breicha

Wien, 1981