Gabriele Baumgartner, Die Glasfenster Josef Mikls, 2017

 … Kann man die Kunst mit dem Handwerk vergleichen? Die Kunst ist Handwerk – und ihr Inhalt bloß der Auftrag für den entsprechenden Handwerker. Ob daraus Kunst wird, hängt von der Charakterbildung, der Begabung des Ausführenden ab. …“ (Josef Mikl, 2008)

 

Josef Mikl war ein außergewöhnlich vielfältiger Künstler, der sich nicht nur über seine malerischen und satirischen Werke definierte, sondern im Laufe seines künstlerischen Schaffens entstanden viele sakrale Auftragsarbeiten wie Glasfenster, Messgeräte und Messkleider. Gerade bei diesen Gelegenheiten konnte er seine handwerkliche und künstlerischen Fähigkeiten auf besondere Weise entfalten. Er reagierte auf den vorgegebenen Raum oder die Situation und schuf Arbeiten von zeitloser Ästhetik.

 

Auf Anregung der Architekten Arbeitsgruppe 4, die den alten Gutshof Weichselbaumhof in die erste moderne Kirche Österreichs für die Salzburger Pfarre Parsch umwandelten, erhielt er 1955 den Auftrag für seine ersten Glasfenster. An Stelle der ehemaligen Stalltore sollten zwei Glasfenster entstehen und Mikl zeichnete sich für den Entwurf und die Ausführung verantwortlich. In den 1956 ausgeführten Fenstern thematisierte er die Geburt Christi und gegenüberliegend die Auferstehung, lediglich auf die Farben Rot, Blau und Gelb reduziert. Die erhaltenen, in Tempera ausgeführten Entwürfe zeigen leichte Abweichungen der schließlich als Betonglasfenster ausgeführten Fenster und Am 4. August 1956 erfolgte schließlich die Weihe der Kirche auf den Titel „Kirche zum Kostbarsten Blut“, wo zahlreiche österreichische Künstler an der Gestaltung - wie eine Kreuzplastik aus Beton von Fritz Wotruba oder die Betontüren nach Entwürfen von Oskar Kokoschka - an dem Projekt beteiligt waren.

 

Nur vier Jahre später erfolgte der internationale Auftrag für die Gestaltung von Glasfenstern in der Friedenskirche in Hiroshima1. Bereits nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war die Idee für eine Friedenskirche geboren worden. Sie sollte der katholischen Gemeinde von Hiroshima, die der Deutschen Jesuitenmission in Bonn untersteht, nicht nur als Zentrum, sondern der Welt auch als Mahnmal und Sinnbild für den Frieden dienen. Zahlreiche Länder beteiligten sich an der Finanzierung und übernahmen einzelne Ausstattungselemente. Monsignore Otto Mauer berichtete, dass der österreichische Botschafter in Tokio, Dr. F. H. Leitner, 1958 den Erzbischof Dr. Rohracher die Anregung zu einer Beteiligung gab. Österreich übernahm die Finanzierung und Gestaltung der 16 Glasfenster im Obergeschoß des Langhauses. Mehrere österreichische Institute und Organisationen beteiligten sich an diesem Projekt: einerseits durch die Aufbringung der Geldmittel und andererseits durch die Organisation eines künstlerischen Wettbewerbes. Zu beider Seiten des Langhauses sollten je 8 Fenster im Format von 240x60 cm, hochrechteckig mit einem an die gotische Dreipassform erinnernden Abschluss, gestaltet werden. Die Thematik war den Künstlern frei gegeben, einzige Bedingung war eine nonfigurative Ausdrucksweise. Am 30. Juni 1959 wählte die Jury (Monsignore Professor Otto Mauer, Manfred Mautner Markhof, Dr. Alfred Schmeller und andere) einstimmig Josef Mikl zum Gewinner des Wettbewerbes2. In Bonn bestätigte eine zweite, deutsch-japanischen Jury diesen österreichischen Entscheid. Josef Mikl hatte Entwürfe zu den Themen Zur christlichen Liebe3und Zum ewigen Frieden, von Immanuel Kants philosophischem Entwurf desselben Titels entnommen4, für jeweils eine Seite des Langhauses vorgelegt. Die Formen, aber vor allem die Farben sollten die Themen transportieren und Emotionen evozieren. So tauchte Mikl die Darstellung der Liebe auf der einen Seite der Wand in Gelb- und Rottöne. Die gegenüberliegende Seite bildet den farblichen Kontrast in dem vor allem Blautöne dominieren und damit den ewigen Frieden symbolisieren. Die Glasfenster wurden in der Glaserei des Stiftes Schlierbach ausgeführt und in Hiroshima in den Obergarden eingefügt.

 

1963 / 64 gestaltete Josef Mikl für die Pfarrkirche Lehen in Salzburg zwei langformatige Glasarbeiten über deren Konzeption leider nichts erhalten ist. Im eigentlichen Sinn handelt es sich bei diesen Werken nicht um Glasfenster, da sie direkt der Wand vorgelagert auf Füßen stehen und das weiße Licht der Fenster durch die Arbeiten scheinen. 1963 erhielt der Künstler auch den Auftrag über 14 quadratische Fenster für die Kirche in Aderklaa in Niederösterreich, die er 1964 ausführte. Im Langschiff finden sich jeweils rechts und links 7. Die erhaltenen Entwürfe zeigen bereits, dass sich Mikl bei der Fertigung in der Glaswerkstätte des Stiftes Schlierbach an seinen Entwürfen orientierte.

 

Ein Jahr später, 1965, erhielt Josef Mikl den Auftrag zwei Glasfenster für die Filialkirche Willersdorf (Ortsteil von Oberschützen) im Burgenland zu gestalten. Die zur Pfarre Bad Tatzmannsdorf gehörende Kirche ist der Heiligen Katharina gewidmet und wird heute als Friedhofskapelle genutzt. Die Fenster der turmlosen, rechteckigen, romanischen Kirche wurden in den 60er Jahren mehrfach verändert und schließlich mit Spitzbögen versehen. Im Zuge dieser Veränderung betraute die Gemeinde Josef Mikl mit der Gestaltung. Unter der Thematik Flamme und Kreuz führte der Künstler die Fenster in Schwarzlottechnik in der Glaserei des Stiftes Schlierbach aus. Leider wurden die beiden Fenster Ende der 80er Jahre beschädigt und Josef Mikl restaurierte sie selbst 1989.

 

Auf Initiative von Alfred Schmeller betraute man 1966 und 1970 Josef Mikl mit dem Auftrag für die Gestaltung jeweils zweier Fenster für die Pfarre St. Margarethen im Burgenland. Beide Male interpretierte der Künstler Sören Kiergekards Worte:

 

Im Gewissen hat Gott den Blick auf mich geworfen,

und nun ist es mir unmöglich gemacht, zu vergessen,

dass dieses Auge mich sieht.

Dieses, dass Gott auf mich sah, machte, dass ich auf Gott

sehen musste und muss.

 

Ein besonderes Verhältnis hatte Josef Mikl zu seinem Namenspatron. 1975/76 gestaltete er für die Sankt-Joseph-Kapelle am sogenannten Quellenhof des befreundeten Ehepaars Merk am Kreuzberg in Niederösterreich ein Fenster. Auf einer Notiz des Künstlers ist zu lesen: Das Fenster, Josef dem Nährvater gewidmet, trägt die Inschrift:

 

Was Augen sehn, wann wir die Augen schliessen,

Denn werden wir viel mehr, ja alles sehn und wissen.

(Andreas Gryphius)

 

Den Auftrag für die Glasfenster der Pfarre Asten in Oberösterreich erhielt er 1982. Zunächst sollte er nur drei hochformatige, 212x46 cm große Fenster für die Taufkapelle und die Südostecke des Hauptraumes gestalten. Später kam aber auch noch der Auftrag für zwei querformatige, 152 x 352 cm große Glasfenster in der Marienkapelle hinzu. Der Augustiner Chorherr Franz Lang, Pfarrer und Leiter des Zentrums, gab die Themen vor. Die Umsetzung dieser durch Josef Mikl verdeutlichen seine von ihm kommentierten Entwürfe.

Ein erster Entwurf für die drei schmalen Glasfenster zeigt eine Trennung in jeweils einen blauen oberen und einen roten unteren Teil. Laut Auftragserteilung sollte sich Josef Mikl bei den beiden Fenstern für die Taufkapelle an Johannes 3,5 „… geboren aus Wasser und Hl. Geist“ orientieren. Auf dem Entwurf beschrieb er schon die einschlagende Richtung, indem er diese Textstelle weiterverfolgte und eine der Bibelstelle folgende Zeile seitlich notierte: Was vom Fleisch geboren wird das ist Fleisch und was vom Geist geboren wird das ist Geist. Zur Untermauerung seiner Aussage platzierte er ausdrücklich das Wort Fleisch neben der roten und das Wort Geist neben der blauen Zone. In der ausgeführten Glasfassung erkennt man die auf den fleischlichen, irdischen Teil serpentinenartig eindringenden blauen Bahnen des Geistes.

 

Das in der Südostecke des Hauptraumes befindliche dritte schmale Fenster thematisiert nach Matthäus 17,1-8 die Verklärung Jesu am Berg Tabor. Aus der Korrespondenz mit Pfarrer Lang geht hervor, dass aus zweierlei Gründen gerade diese Bibelstelle verbildlicht werden sollte: Der Grundstein der Kirche stammte vom Berg Tabor und der Kirchenpatron, der Hl. Jakobus, war Zeuge der Verklärung Christi auf dem Berg. Die seitlich angebrachte Inschrifttafel belegt: „Grundstein vom Berg Tabor, 25. Juli 1981 (Matt. XVII, 1-8)“. In diesem Fenster ließ Mikl in zwei V–Formen, das irdische Rot, vielleicht sogar als Symbol des Berges Tabor angedeutet und das himmlische Blau aufeinander zugehen. Bereits im Entwurf skizziert, findet sich im Fenster zwischen den beiden Formen ein weißes Quadrat. Laut dem Matthäus-Evangelium leuchtet Christus bei der Verklärung wie die Sonne und seine Kleider wurden weißer als das Licht. Katharina Girardi-Haller zitiert Mikl, der seine Komposition beschreibt: „Der weiße Kristall, Christus, ist der Mittler zwischen der irdischen (rot) und geistlichen Welt (blau)5

 

Für die Marienkapelle waren die Themen Verkündigung und Geburt Christi vorgegeben. Die beiden querformatigen, nebeneinander liegenden Fenster sind ebenfalls in Rot und Blau gehalten. Mikl trennte die Farbflächen nun vertikal in zwei Zonen. In der Verkündigung kann man Maria in roter Form - möglicherweise werden hier auch die erhobenen Arme angedeutet - während der Verkündigung durch das blaue himmlische Wesen erahnen. Inmitten des Rot findet sich der weiße Kristall. Im Gegensatz zu Pfarrer Lang benannte Josef Mikl Die Geburt Christi immer mit Heilige Familie. Deshalb wurde die Kapelle von ihm selbst als Familienkapelle bezeichnet. Auch hier beschrieb er auf einem Entwurf, in dem die beiden nebeneinander gesetzten Formen noch stärker an Häuser erinnern: „Das himmlische Haus gründet das irdische Haus.“ Auf einen dieser Vorentwürfe bezieht sich auch Herbert Muck, wenn er schreibt: „Wiederholt finden wir bei Mikl die Figuration des Gehäuses als Symbol für das Innen der Welt. …vom „Haus der Welt“, von diesem Schrein, der teba, diesem Behälter des Innen, in dem sich das neue Empfangene birgt...“ 6

 

Nach diesem Großauftrag für Asten entwarf Josef Mikl nahezu 20 Jahre keine Glasfenster. Erst 1994 / 95 fertigte er für seinen Privatgebrauch sein letztes Fenster, das er seinem Namenspatron widmete und zitierte das alte „Gebet zum heiligen Nährvater Joseph“. Mikl entnahm einen Satz und schrieb links unten auf das blaue Glas: „Heiliger Joseph: Du bist derjenige, welchem die kostbarsten Schätze Himmels und der Erde zu verwahren sind gegeben worden.“ Das Glasfenster befindet sich heute in Wiener Privatbesitz.

 

Den überwiegenden Teil seiner Aufträge - vor allem seine beiden Großaufträge für Hiroshima und für die Pfarre Asten – fertigte Josef Mikl gemeinsam mit der Glaswerkstätte des Stiftes Schlierbach. Möglicherweise aufgrund der räumlichen Distanz bzw. Vorgabe des Auftraggebers produzierte er fallweise auch mit einer Wiener Glaswerkstätte. Gerade von den Aufträgen von Schlierbach ist bekannt, dass Josef Mikl mundgeblasenes Echt-Antik-Glas bevorzugte. Er verwendete klare, leuchtende, dunkle und satte Farben, vor allem Rot-, Gelb- und Blautöne. Diese Farbtöne sind bereits im Glas selbst vorhanden, sodass der Künstler bei der traditionellen Verwendung der Technik nur Schwarzlot als eigentliche flüssige Farbe verwenden konnte. Mit breiten Pinselstrichen trug Mikl es als Schattierung und Dämpfung der Farben auf die Gläser auf. Mit Tüchern nahm er Überflüssiges ab oder strukturierte Akzente.

 

 

1 Otto Mauer: Glasfenster für Hiroshima, in: Alte und moderne Kunst, Österreichische Zeitschrift für Kunst, Kunsthandwerk und Wohnkultur, 5. Jg. 1960, 4, S. 22- 25

2Weitere Mitglieder der Jury waren: Alexander Auer, Dr. Adele Kaindl, Professor Arnulf Neuwirth und Dr. Dipl. Ing. Karl Schwanzer. siehe dazu : Anm. 2, S. 23

3Katharina Giradi Haller, Studien zu Josef Mikl, Wien, Univ. Diss. 1996, S 144 spricht in ihrer Dissertation von: Zur christlichen Liebe. Allerdings im Text selbst benennt sie das Thema des Langhauses mit: Zur ewigen Liebe. Wogegen Monsignore Otto Mauer in seinem Aufsatz: Glasfenster für Hiroshima, siehe Anmerkung 2, S. 23 von der Thematik: Zum Glauben des Christen spricht.

4Katharina Girardi Haller, siehe Anm. 4, S. 145

5Katharina Girardi Haller, siehe Anm. 4, S. 166

6Herbert Muck, Josef Mikl, in: Kunst für und ohne Kirche, Zur Ausstellung an der Akademie der bildenden Künste, Wien, 1983, S 85-86, S. 85