Über die Karikatur und warum die Hawranek erfunden wurde, 1979

 

Eine große Entfernung trennt den bildenden Satiriker vom Tageskarikaturisten, der zugleich Gelegenheitshumorist sein muß. Eine ebensolche Entfernung trennt den Dichter vom Journalisten.

Der Zeitungsschreiber, der Ansager und der Karikaturist werden durch das Ereignis überwältigt, ihr Schreibstil oder Redestil kann deshalb nicht entwickeln, er wird vom Anlaß aufgesogen und vernichtet.

Dieser Anlaßinhalt sprengt die Form, es entsteht Nichts, mehr läßt sich darüber nicht sagen.

Der Dichter oder Satiriker hat neben dem Stil sein Verhältnis mit der Fantasie, seine Wahrheit ist eine höhere als die katastrophengebärenden Neuheiten, die dazu noch entstellt wiedergegeben werden.

Der Satiriker beschäftigt sich z. B. nicht mit einem Minister, der gerne vorkommen möchte, sondern mit der allgemeinen Einrichtung des Ministers im Staat.

(Die sanften Karikaturen erregen nicht, sie gefallen und unterhalten). Die Schärfe eines englischen Swift, eines Gillray würde die heutigen Wirtschaftsschreiber nach dem Gerichtsarzt rufen lassen.

 

usw.

Natürlich ist das satirische Verhalten ein politisches Verhalten, und, um dieses Verhalten von meiner Malerei entfernt zu halten, dafür wurde die Hawranek erfunden.

Hogarth, Rowlandson, Daumier, Busch, ihre vorzüglichen Bilder auf der einen Seite, ihre satirischen Arbeiten auf der anderen, diese Teilung war für mich immer beispielhaft.

 

In: Josef Mikl (Hrsg.), Monografie, Wien 1979, S 158